Made in Turkey stellt 30 Jahre zeitgenössischer Kunst aus der Türkei vor: Meisterwerke aus türkischen Museen, Privatsammlungen und aktuelle Arbeiten aus den Künstlerateliers, darunter einzelne, die unmittelbar im Kontext der Ausstellung entstanden sind. 50 Künstler aus vier Generationen geben Einblick in die türkische Gegenwartskunst und bestimmen Positionen aus 30 Jahren Kunstproduktion von 1978 bis heute.
Als dem türkischen Filmemacher Nuri Bilge Ceylan in Cannes 2008 der Preis für die beste Regiearbeit überreicht wurde, antwortete er mit bewegenden Worten: "Diesen Preis widme ich meinem einsamen und wunderschönen Land, das ich wie ein Besessener liebe". Ceylans Filme sind wie die Kunstwerke dieser Ausstellung eindrückliche Portraits der türkischen Gesellschaft, verwoben mit ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihren Menschen. Wie wenig weiß man in Deutschland noch immer über dieses Land, über die Wiege der europäischen Kultur, über seine spezifische Entwicklung im 20. Jahrhundert und seine geostrategische Bedeutung zwischen West und Ost? Kunst kann daran nur bedingt etwas ändern, aber es muss doch wundern, dass in den privaten und öffentlichen Kunstsammlungen in Deutschland kaum Werke türkischer Künstler existieren.
Die Ausstellung beginnt mit Arbeiten der späten 1970er Jahre, die Tendenzen und Bewegungen des türkischen Kunstschaffens nachvollziehbar machen. Verfolgt man den generationsübergreifenden Dialog und die sich verändernden ästhetischen, sozialen und politischen Standorte, wird die Ausstellung zu einem Denkraum, der Erinnerung und Gegenwart, der Eigenes und Fremdes miteinander verbindet. Wie Aby Warburg es bereits in den 1920er Jahren in seinen kulturübergreifenden Forschungen formulierte, bieten solche Denkräume die Chance, Kunst als Ausdrucksform des kollektiven Bildgedächtnisses zu erfahren und zu sich selbst in Beziehung zu setzen.
Neben jenen künstlerischen Arbeiten, die den Dialog von Individuum und Öffentlichkeit beschreiben, den intensiven Prozess des gesellschaftlichen Wandels widerspiegeln und philosophische wie ästhetische Positionen vor dem Hintergrund ihrer Geschichte skizzieren, öffnet Made in Turkey den Blick für unterschiedliche Fragestellungen, die uns losgelöst von kulturellen Grenzen unmittelbar ansprechen und herausfordern. Es gibt Arbeiten, die von Heimat, Abschied und Fremdheit und der Frage nach Identität und Zukunft in der Fremde erzählen. Andere hinterfragen die Überlieferungen vom Mythos der Schöpfung, der kosmischen Weltordnung, aber auch die des Logos, der rationalen Definition von Ursprung und Dasein. Die Frage nach sozialer Gerechtigkeit,nach dem Verlust menschlicher Werte wird ebenso berührt wie die Verschiebung der Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem in der Konsum- und Medienwelt von heute. Auch das zeigt die türkische Gegenwartskunst: intime Wahrnehmungen der Realität, "Inseln des Eigenen", kontemplative und verborgene Orte des Privaten.
Mit anderem Blick und aus anderer Perspektive reflektieren Künstler der Türkei aktuelle Konfliktpotenziale, im Nahen und Mittleren Osten ebenso aber auch den Dialog mit Europa und der westlichen Welt. Viele künstlerische Arbeiten begegnen den Errungenschaften der Globalisierung mit Entrüstung und Aufbegehren und stehen beispielhaft für das politische Engagement in der türkischen Kunst der Gegenwart. Eine Gegenwart, die uns alle angeht.